SIND Sie noch Ihr Gefühl oder HABEN Sie schon eins?

Ich lade Sie ein, zwei unterschiedlich formulierte Sätze auf sich wirken zu lassen und zu vergleichen. Diese können Sie sich innerlich sagen oder auch laut aussprechen. Nehmen Sie sich bitte Zeit, nach jedem Satz in sich zu gehen, um wahrzunehmen, wie es Ihnen damit geht. Wählen Sie am besten ein unangenehm empfundenes Gefühl aus, das gerade da ist. Im folgenden Text ersetzen Sie dann mein Beispiel “wütend” durch Ihr Gefühl.

Los geht’s …

Satz A) “Ich bin wütend”

Wie fühlt sich der Satz an?
Welche Körperempfindungen nehmen Sie dabei war?

Satz B) “Etwas in mir ist wütend”

Wie fühlt sich der Satz an?
Welche Körperempfindungen nehmen Sie dabei war?

BEVOR Sie weiterlesen: Bitte vergleichen Sie Ihr persönliches Erleben. Was für Unterschiede zwischen den beiden Varianten nehmen Sie wahr?

Die meisten Menschen empfinden A) als einnehmender, bedrohlicher, größer, näher, unkontrollierbarer. B) fühlt sich bei vielen etwas angenehmer an, distanzierter, kleiner.

Woran liegt das und was nützt mir diese Erkenntnis?

Sie sind nicht Ihre Wut. Sie sind natürlich viel mehr als das.

Der Unterschied besteht u.a. darin, bei B) innerlich auf Abstand zu gehen und Ihre Befindlichkeit aus sozusagen sicherer Entfernung wahrzunehmen. Aus dem Blickwinkel einer neutralen Metaposition, aus der Sie sich selbst beobachten. Das wiederum funktioniert nur, wenn Sie nicht Ihre Wut sind. Diese beiden Wahrnehmungsstandpunkte bzw. inneren Haltungen werden mitunter bezeichnet als assoziiert / dissoziiert oder identifiziert / disidentifiziert.

Die Differenzierung ist besonders wichtig zur Nutzung Ihrer inne liegenden Ressourcen. Die brauchen Sie z.B. für den Umgang mit starken Emotionen. Ihre Ressourcen sind am besten zugreifbar im disidentifizierten Zustand. Salopp formuliert, saufen Sie eben nicht ab in übermächtigen Gefühlen und sind diesen auch nicht mehr oder weniger hilflos ausgeliefert. Stattdessen treten Sie erst einmal einen Schritt zurück und betrachten das, was in Ihnen abläuft, aus einer gewissen Entfernung und in aller Ruhe.

Damit wir uns richtig verstehen: Es geht hier nicht lediglich um sprachliche Feinheiten oder Wortklauberei. Es geht um Ihre innere Haltung! Diese kann Ihnen helfen, mit Gefühlen und Situationen umzugehen oder sie kann Ihnen im Weg stehen.

Die gute Nachricht dabei ist, dass Sie es letztendlich selbst in der Hand haben. Letztendlich können nur Sie die erwünschte Weiterentwicklung und Reifung Ihrer Persönlichkeit blockieren. Oder eben gute Voraussetzungen dafür schaffen.

Roberto Assagioli prägte den Satz: “Ich bin mehr als meine verschiedenen Teilpersönlichkeiten.”
Und Prof. Dr. Eugene Gendling bringt es auf den Punkt: “Ich bin nicht das Problem. Ich habe ein Problem.”

Und wie ist das bei Ihnen?

Ihr Michael Göhring, info@innenfokus.de